Das Dorf

Gegenüber von unserem Hof, direkt an der Dorfstraße, wohnten die Viehzüchter, unter ihnen Koch. Seine Ställe grenzten an die Ställe seines Nachbarn Huber. Eines Nachts drang Koch in Hubers Stall und Haus ein, verriegelte die Türen von innen und erklärte alles zu seinem Eigentum. Das Gezeter Hubers, der zu seinem nächsten Nachbarn Meier gelaufen war, schallte bis zu unserem Hof herüber.
Koch war schon immer ein Zankhahn, was uns nie groß berührt hatte, wir kauften bloß unser Fleisch dort und die Streitereien der Viehzüchter amüsierten uns. Als wir hinüber gingen, bettelten Huber und Meier um Hilfe.
Koch schrie aus dem Stall, wir sollten verschwinden, er hole sich nur wieder, was seiner Familie von Hubers Großvater weggenommen worden sei.
Wir sagten ihm, daß man das so nicht machen könne und er solle das sein lassen. Die anderen Viehzüchter waren zusammengelaufen und trommelten uns auf den Rücken, wir dürften das nicht hinnehmen, Koch würde morgen auch ihre Ställe aufbrechen, der Fleischverkauf läge dann ganz in seiner Hand. Da holten wir Äxte und Spaten und stellten uns vor Hubers Stall und riefen Koch zu, er solle zur Besinnung kommen. Koch tönte zurück, das sei erst der Anfang, er würde sich alles holen, was ihm gehöre. Vor allem das Haus des Geflügelzüchters Schmidt würde er wieder in den Besitz der Viehzüchter bringen.
Unter den Viehzüchtern begann ein unverständliches Brabbeln; es wurde kleinlaut behauptet, einer der Grundbesitzer habe das Haus in schlechtem Zustand einem Viehzüchter abgehandelt, ihn dabei betrogen und das Haus dann Schmidt, dem er etwas schuldig war und dessen Vorfahren schon früher dort gelebt hatten, überlassen.
Einige der Grundbesitzer von unserer Straßenseite kamen herbeigelaufen, die anderen riefen wir zusammen, auch Schulzes, die ihre Kinder schlugen, und beschlossen, daß wir Koch ein für allemal zur Räson bringen wollten.
Wir umstellten seines und Hubers Haus und warteten, daß er ausgehungert aufgeben würde. Wir riefen ihm zu, er sei ein Verbrecher und solle Hubers Haus freigeben. Er rief zurück, wir seien Verbrecher, weil uns das nichts anginge und weil wir Schmidts Überfall auf Müller vor drei Jahren und die Knechtschaft der Müllers seitdem geduldet hätten und er würde auch Schmidts Haus befreien. Wir schrien zurück, das habe nichts miteinander zu tun und Müller habe Schmidt damals angegriffen und er sei ein Verbrecher. Müller stand hinter der Menge, war kaum zu sehen und reckte seine Faust in die Luft. Offenbar schlachtete Koch dann sein oder Hubers Vieh und war nicht leicht auszuhungern. Wir schrien in das Haus, er sei ein Verbrecher und er solle das Haus räumen. Er rief zurück, wir seien Verbrecher und Schmidt solle Müllers Haus räumen und wir sollten endlich auf unsere Straßenseite verschwinden. Unter den Viehzüchtern wurde geflüstert. Jemand behauptete, man habe Koch durch einen Seiteneingang Kartoffeln verkauft.
Wir schrien Koch zu, er solle bis zum nächsten Mittag das Haus räumen, Schulze nickte. Koch rief zurück, man solle mit Schmidt und den Müllers reden. Wir schrien, das ginge ihn nichts an und er sei ein Verbrecher, er rief, Hubers Haus sei wieder sein Eigentum und er werde sich für Müller und alle Viehzüchter verteidigen.
Wir standen noch bis zum Mittag um die Häuser, dann zündeten wir sie an. Einer von den Kochs mußte sich aus dem Haus geschlichen haben, denn plötzlich brannte auch Schmidts Haus. Wir taten alles, um die Schmidts zu beruhigen, wir versprachen ihnen Vergeltung und das alles in Ordnung käme, wenn erst Koch aufgegeben habe. Die Viehzüchter gingen auf Schmidt los, er habe Müller überfallen und die Viehzüchter könnten das nicht hinnehmen.
Eine der Frauen von unserer Straßenseite kam gelaufen, Meiers Kinder hätten alle Fenster ihres Hauses eingeworfen und den Gemüsegarten zertrampelt. Da streckten wir Meier mit einigen Schlägen nieder. Dann sahen wir, daß das Feuer auf andere Häuser übergegriffen hatte und der Wind hineinblies. Wir riefen, alle sollten jetzt löschen helfen und daß man dann endlich vernünftig miteinander reden müsse.

© Ralf Bönt